Im Schalker Kreisel zum Mainz-Spiel drehen sich rund 25 Seiten um die Jahreshauptversammlung 2014 – leider ist es kaum möglich, auch nur eine einzige davon zu lesen, ohne wahlweise vor Wut vor die Wand zu treten oder in Hohngelächter auszubrechen.

Das Schlagwort soll offenbar „Starkes Schalke“ sein. Unter dieser Überschrift entwickeln Vorstand, Aufsichtsrat und Ehrenrat ihre Vorstellungen von „unserem Verein“ – ich frage mich, warum es dieses Maßnahmen- und Thesenkataloges bedarf, da sich der Verein erst vor zwei Jahren ein Leitbild gegeben hat, das Werte und Richtschnur für alle Schalker und alle Gremien sein soll.

Direkt der erste Punkt verkündet „ein Starkes Schalke bezieht die Interessen der Fans und Mitglieder in die Entscheidungen der Gremien mit ein. Das muss personell und strukturell gewährleistet sein“. – Dummerweise werden im gesamten folgenden Text grundsätzlich „die Fans“ mit „einem Vertreter des SFCV“ gleichgesetzt. – Lieber Vorstand, lieber Aufsichtsrat, lieber Ehrenrat: Der SFCV ist nicht die Stimme „der Fans“, auch nicht der Mehrheit der Fans! Der SFCV ist ein vielfältig personell, finanziell und organisatorisch mit Euch verquicktes Gebilde, so dass von einer unabhängigen Fanvertretung leider keine Rede sein kann. Und es ist in meinen Augen eine nicht hinnehmbare Verzerrung, wenn dort Busse gesponsert werden, die möglichst viele Mitglieder zur JHV karren, weil angeblich das Kartenmonopol des SFCV bedroht ist. Die erschreckenden Einzelheiten können diesem Anschreiben entnommen werden.

Da kommen wir direkt zum zweiten Punkt „Ein Starkes Schalke ist ein demokratisches Schalke, in dem man Menschen mit anderen Meinungen respektiert und ausreden lässt, in dem wir uns tatsächlich auf Augenhöhe begegnet“. Punkt drei: „Ein Starkes Schalke setzt… nicht auf Demagogie“. Aha. Ich hoffe, dass Ihr beim Schreiben dieser Zeilen rot anlauft, wenn ich sehe, wie unverhohlen und tendenziös im folgenden Stimmung für und gegen bestimmte Anträge und Antragsteller gemacht wird. Augenhöhe, wenn Ihr mit Eurer geballten Medienpower direkt von vornherein manche Anträge propagiert und andere in Grund und Boden schreibt? Keine Demagogie, wenn Ihr Antragstellern unlautere Motive unterstellt? (S. 77)

Auf S. 64/65 wird dann ausführlich Stimmung gemacht für einen Antrag bezüglich des Wahlausschusses, den – Zufälle gibt’s – ein Aufsichtsratsmitglied des SFCV eingereicht hat. U. a. sollen sich demnach nur Mitglieder mit mindestens 10jähriger Vereinsmitgliedschaft für den Wahlausschuss bewerben dürfen. Dazu schreibt Ihr „für den Wahlausschuss kann bis jetzt jeder kandidieren, der ein Jahr Mitglied im Verein ist. Bei mehr als 125.000 Mitgliedern führt das zur Inflation, bereits letztes Mal gab es 20 Kandidaten und die Wahl dauerte anderthalb Stunden. Wo soll das in Zukunft hinführen?“ und „Im Extremfall könnten 100 Leute kandidieren.“ – Wie war das noch gleich, ein starkes Schalke ist ein demokratisches Schalke? 20 von 125.000 Mitgliedern (das sind übrigens 0,00016 %) nehmen tatsächlich ihr Recht zur Kandidatur wahr, die Chose dauert anderthalb Stunden und Ihr flennt rum, wo das hinführen soll? Arg lästig, diese dumme Mitbestimmung, gelle?

Die wichtige Aufgabe im Wahlausschuss soll von Personen erfüllt werden, die sich nachweislich mit dem Verein voll identifizieren und die Vereinsstrukturen sehr gut kennen…“. Es würde zu weit führen, Euch zu erklären, dass man die Identifikation mit dem Verein NICHT in Mitgliedsjahren messen kann. Interessanter aber ist, dass die Satzung für die weitaus mächtigeren Gremien Aufsichtsrat und Ehrenrat nur eine ein- bzw. fünfjährige Mitgliedschaft vorschreibt. Und dass noch vor wenigen Jahren der Antrag, die Mindestmitgliedschaft für AR-Bewerber auf 5 Jahre hochzusetzen, von Vereinsseite massiv hintertrieben und vehement abgelehnt wurde. Damals hieß es, Engagement und Kompetenz könne man nicht solchen Formalien festmachen… Frage also, lieber Aufsichtsrat: Was müssen Eure Wähler können, was Ihr nicht könnt, dass Ihr für sie eine 10fach längere Verweildauer im Verein fordert als für Euch selber? Wäre es da nicht einfacher, den Wahlausschuss abzuschaffen und die 10 Jahre als Voraussetzung für die Bewerbung für einen Sitz im Aufsichtsrat vorzuschreiben…?

Außerdem sollen der SFCV, der Ehrenrat und der Vorsitzende des Ehrenpräsidiums jeweils einen festen Sitz im Wahlausschuss bekommen. So sei „sichergestellt, dass die Fans immer im Wahlausschuss vertreten sind und Erfahrung und Unabhängigkeit des Ehrenrats genutzt würden ….“ – Wie ich oben bereits schrieb, der SFCV vertritt, wie man in der causo viagogo sehr schön sehen konnte, beileibe nicht „die Fans“. Im Übrigen wählen „die Fans“, jedenfalls diejenigen, die Mitglieder im Verein sind, bislang alle sieben Mitglieder des Wahlausschusses. Ein extra „Fanvertreter“, der keine Fans vertritt, ist somit keine demokratische Errungenschaft, sondern der Versuch, die verkrusteten Strukturen zu zementieren. Gleiches gilt für den Sitz des (vom Aufsichtsrat vorgeschlagenen) Ehrenrates im Wahlausschuss (für neue AR-Mitglieder).  Kreisel goes Klüngel.

Diese Satzungsänderungen treten mit der nächsten regulären Wahl zum Wahlausschuss (voraussichtlich 2017) in Kraft“. – Ach? Tun sie das? Ich hätte schwören können, dass dies nur der Fall ist, wenn sie auf der JHV mit der Zweidrittelmehrheit der anwesenden Mitglieder beschlossen werden. Und dass es da noch einen Gegenantrag auf ersatzlose Abschaffung des Wahlausschusses gibt.  Augenhöhe? Keine Demagogie? Für mich ist das Stimmungsmache und Suggestion der untersten Schublade und ich hoffe und bete, dass die Mitglieder auf der JHV wie bereits im letzten Jahr ein gutes Gespür dafür entwickeln, wo sie für dumm verkauft werden sollen.

Es folgen noch einige polemische Bemerkungen zu den Anträgen, die der Verein nicht unterstützt und teilweise haarsträubende Argumentationen, warum Anträge nicht zugelassen werden. „Je mehr Kandidaten zur Wahl stehen, desto weniger Stimmen können… ausreichen, um als Aufsichtsratsmitglied gewählt zu werden, weil sich die gleiche Stimmenanzahl auf mehr Kandidaten verteilt. So stellen wir uns ein Aufsichtsratsmandat nicht vor…“ (S. 70) – Warum beschleicht mich das Gefühl, dass Euch Wahlen mit 99 % und ohne echte personelle Alternative vorschweben? Und wieso ist die Frage, dass Ihr Euch das nicht vorstellt, Grund für die Ablehnung des Antrages? Vielleicht stellen sich die Mitglieder sehr wohl eine größere Auswahl unterschiedlicher Schalker vor als dies z. B. im letzten Jahr mit den beiden Amtsinhabern und einem langjährigen, nur ein Jahr zuvor abgewählten Mitglied der Fall war…???

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Der Antrag, dass die Mitglieder des Ehrenrates künftig nicht mehr allein auf Vorschlag des Aufsichtsrates en bloc gewählt werden, bügelt Ihr mit der lapidaren Behauptung, „die Wahl des Ehrenrates habe sich bewährt und es gebe keinen Grund für eine Änderung“ ab. Und – oh Graus – es gäbe doch tatsächlich ein weiteres demokratisches Wahlverfahren. (S. 72) Und womöglich würden dort Leute reingewählt, die tatsächlich unabhängig und willens wären, ein echte vereinsinterne Schlichtungsstelle zu bilden, statt die Entscheidungen des sie vorschlagenden AR zu billigen und „festzustellen, dass die Streitigkeit als abschließend beendet gilt“.  – Es ist wirklich ein Kreuz mit dieser grauslichen Demokratie.

Des Weiteren wird ein Antrag zur Erhöhung der Zahl der vom Aufsichtsrat zu kooptierenden Mitglieder beworben (S. 73), ein anderer zur Verkleinerung des Aufsichtsrates hingegen nicht zugelassen (S. 74), da „der Aufsichtsrat auf keinen Fall verkleinert werden dürfe, das würde dem Verein Entwicklungspotentiale rauben“. Dies würde „keinen Sinn machen“; zudem gebe es „vertragliche Verpflichtungen, die einzuhalten seien“. – Aus juristischer Sicht ein absolut unhaltbarer Passus; was Sinn macht und was nicht, entscheidet nicht der in dieser Frage befangene Aufsichtsrat, sondern die Mitgliederversammlung als oberstes Vereinsgremium. Und sollte es Verträge geben, die wem-auch-immer über geltendes Satzungsrecht hinaus einen Platz im Aufsichtsrat zusagen, wären diese rechtswidrig. Die Entscheidung über die Satzung und die AR-Mitglieder und die Kooptationsmöglichkeiten obliegt allein der JHV!

Die Veröffentlichung des Protokolls der Mitgliederversammlung wird abgelehnt, da „bereits heute jedes Mitglied die Protokolle einsehen könne, wenn es wolle. Und warum sollten Nichtmitglieder und Anhänger anderer Vereine unsere Protokolle lesen dürfen?“ – Ich sach ma, weil es transparent und auf Augenhöhe wäre, wenn nicht jedes Mitglied u. U. hunderte oder tausende Kilometer auf sich nehmen müsste, um sich auf der Geschäftsstelle zu informieren? Und weil wir nichts zu verbergen haben? Und man in Zeiten elektronischer Kommunikation durchaus an die Vereinsmitgliedschaft gekoppelte Abrufmodi entwickeln könnte?

Schließlich werden noch die Begründung der Ablehnung von Anträgen sowie eine Ablehnung nur bei Verstößen gegen höherrangige Rechtsvorschriften nicht zur Abstimmung zugelassen, weil dem Aufsichtsrat damit „die Möglichkeit genommen würde, Anträge auch inhaltlich zu prüfen“. – Ihr müsst jetzt ganz tapfer sein: Ja, es wäre verdammt gut und nötig, Euch diese Möglichkeit zu nehmen, denn sonst kommen unbequeme Mitgliederrechte überhaupt nie vor das oberste Vereinsgremium!  Huch, damit kämen auch „völlig sinnentleerte“ oder Anträge, für die „die Mitgliederversammlung nicht zuständig ist“, zur Debatte? Dazu kann ich nur sagen: Dann ist das so – Ihr dürft den Mitgliedern durchaus genug Gehirn zutrauen, solche Anträge schnell in die Tonne zu hauen. Aber es kann nicht sein, dass völlig frei Schnauze Anträge abgelehnt werden, weil sie Euch nicht in den Kram passen, wie auch z. B. die beiden letzten Anträge zur Senkung des Quorums für die Einberufung einer außerordentlichen Mitgliederversammlung und der Unterschriftensammlung (S. 77). Und nein, eine solche Satzungsänderung hätte nicht zur Folge, dass „schlimmstenfalls Anträge mit rassistischen oder diskriminierenden Inhalten in den Vereinsmedien veröffentlicht würden“. Solche Anträge können jederzeit über die Diskriminierungsverbote des Grundgesetzes, des allgemeinen Gleichstellungsgesetzes und nicht zuletzt unser Leitbild abgelehnt werden… Seid Ihr Euch denn wirklich für keine Stimmungsmache mit Horrorszenarien zu schade? „Keine Demagogie“ gilt nur für die, die nicht Eurer Meinung sind?!

Mir wird übel, wenn ich das alles lese und sehe, dass man sich rühmt, ein starkes, demokratisches Schalke aufbauen zu wollen. Und ich hoffe, bete und glaube, dass die Schalker nicht so dumm und leichtgläubig sind, sich selber weiter zu entrechten und diese ganzen Absurditäten mit diesen Begründungen zu schlucken.

Ihr habt verstanden?!

Stinkwütend,

Susanne Blondundblau

Hinweis
Aufgrund der positiven Resonanz noch einmal der Hinweis, dass jeder Schalker die Möglichkeit hat Texte an folgende E-Mail Adresse zu senden: info@schalkermarkt.de