Sportlich betrachtet ist Schalke astrein in die Rückrunde gestartet. Baustellen gibt es trotzdem zur Genüge. Vor allem die diesjährige JHV und der Umgang mit Anträgen wirft jetzt schon seine Schatten voraus. Schalke-Kolumnistin Susanne Hein-Reipen macht eine Bestandsaufnahme – und fordert mehr Demokratie auf Schalke.

„Notfalls den größten Bulldozer der Welt“, versprach Clemens Tönnies auf der turbulenten letzten JHV, werde er anschaffen, um die Gräben im Verein endlich zuzuschütten. Und kurz darauf sah es tatsächlich so aus, als habe der Verein verstanden: Der Vertrag mit dem heißumstrittenen „Zweitmarktanbieter“ viagogo wurde umgehend gekündigt, das Reizthema des letzten Jahres beseitigt.

Selbst die erbittertsten Gegner des Deals zollten dem Vorstand daraufhin Respekt und dies wäre ein ziemlich guter Zeitpunkt gewesen, die Bulldozer in Marsch zu setzen, um die restlichen Gräben aus gegenseitigem Misstrauen zuzuschütten. Und für eine kurze Zeit schien dies auch tatsächlich der Fall zu sein: Peter Peters, zuvor bei der Erstellung des Sicherheitspapiers nicht gerade als Vertreter von Fanrechten aufgefallen,  fand nach dem unsäglichen Nordkurven-Blocksturm beim CL-Qualifikationsspiel gegen PAOK Saloniki zunächst deutliche Worte über die himmelschreiende Unverhältnismäßigkeit der Polizeimaßnahmen.

Versprechen nicht eingehalten

Doch die Freude währte nicht lange, nach einem Besuch bei Innenminister Jäger, der zuvor beleidigt mit dem Abzug aller Polizeikräfte gedroht hatte, ruderte er flugs zurück und betonte die vertrauensvolle Zusammenarbeit mit der Polizei. Auch das Versprechen, aufgrund der Vorfälle bei diesem Spiel würden keine Stadionverbote ausgesprochen, wurde nicht eingehalten. Wundert es jemanden, dass sich die Gräben wieder vertieften…?

In der Folgezeit wurden bisweilen polizeikritische Transparente verboten; dafür feierte man es als großen Schritt in Richtung der Fans, dass man die Signale gegen das grüne „Ausweichtrikot“ aufnahm und versprach, künftig in Heimspielen ausschließlich auf königsblau zu setzen. In Sachen Stadionverboten wogten die Debatten hin und her, einige wurden aufgehoben, andere hatten Bestand oder kamen hinzu – und die Ernennung des „Sicherheit-Hardliners“ Volker Fürderer zum neuen „Direktor Fanbelange“ löste nicht nur bei den Stadionverbotlern und den bei Wahrnehmung ihrer satzungsmäßigen Rechte von ihm vom Vereinsgelände verwiesenen viaNOgo-Aktivisten heftiges Kopfschütteln aus.

Reizthemen schwelen weiter

Auch wenn bislang nicht bestätigt ist, dass der Rücktritt des anerkannten Fanbeauftragten Patrick Arnold hauptursächlich mit dieser Personalie zusammenhängt, darf man durchaus konstatieren, dass Fürderer als Gräben zuschüttender Bulldozerfahrer nur sehr bedingt taugt. Zudem schwelen die Reizthemen gegnerfanloses Derby und Namensrechte an der Arena weiter.

Der Knackpunkt aber, der die Gräben jetzt wieder zu kilometertiefen Schluchten aufzureißen droht, ist das Vorgehen der Vereinsoffiziellen und insbesondere des Aufsichtsrates bei der Vorbereitung der JHV 2014. Die neuartige Terminvergabe in die laufende Saison, just wo sich normalerweise die aktive Fan- und Auswärtsfahrerszene auf dem Rückweg aus Freiburg befände – unbequem, aber immerhin pünktlich zum 110. Geburtstag, auch wenn derlei Jubiläen bei der Terminierung vergangener JHVen kein Schwein interessiert haben.

Undemokratischer Umgang mit Anträgen

Der begrüßenswerte winzige Hauch von Glasnost und etwas mehr Dialog auf Augenhöhe, dass rechtzeitig im Kreisel auf die Fristen zur Antragstellung hingewiesen wurde, wird leider durch den folgenden zutiefst undemokratischen Umgang mit form- und fristgerechten Anträgen wieder ad absurdum geführt. Frei nach dem Motto „die Guten ins Töpfchen, die Schlechten ins Kröpfchen“ lehnte der Aufsichtsrat sieben von vierzehn Anträgen ab, weil sie ihm inhaltlich nicht gefielen. Auch – kleiner Treppenwitz – den Antrag, der genau diese Gutsherrenentscheidungen abschaffen sollte und eine Ablehnung von Anträgen nur bei Verstößen gegen höherrangiges Recht vorsah, möchte der Aufsichtsrat abändern.

Man muss sich das einmal auf der Zunge zergehen lassen: Der Aufsichtsrat entscheidet derzeit allein und frei Schnauze, welche Mitglieder mit welchen Anträgen ihre Rechte wahrnehmen und der Jahreshauptversammlung unseres Vereins einen Satzungsänderungsantrag zur Entscheidung vorlegen dürfen. Sie sind dabei nicht etwa an rechtliche Vorschriften gebunden, nein, sie können ablehnen, wenn ihnen der Antrag (oder der Antragsteller…) nicht in den Kram passt. Und sie müssen dies nach der Satzung noch nicht einmal begründen, sondern lediglich versuchen, mit dem Antragsteller eine einvernehmliche Lösung zu erzielen.

Auf Augenhöhe…

Dieser „Versuch“ sah dann konkret so aus, dass die Antragsteller im Halbstundentakt bei den AR-Mitgliedern Jens Buchta und Ingolf Müller, verstärkt durch Finanzvorstand Peter Peters, auflaufen duften, die ihnen dann bestens präpariert die angeblichen Bedenken zu ihrem Antrag mitteilten – Kommunikation auf Augenhöhe… Man darf gespannt sein, welche Anträge nach all‘ diesen Verhandlungen wirklich vor dem höchsten Vereinsgremium landen.

Wenn es das Fairness-Verständnis meines Vereins ist, die eine Seite mit Herrschaftswissen ins Rennen zu schicken, während die anderen erstmalig von den angeblichen Nichtzulassungsgründen erfahren und sich aus dem Stand eine Gegenargumentation überlegen müssen, gute Nacht. Erst wenn die Gründe vorher schriftlich, beweisbar und nachvollziehbar genannt werden, haben die Antragsteller die Möglichkeit, willkürliche Entscheidungen als solche zu brandmarken und dagegen vorzugehen.  Hinzu kommt das eigenartige Sammeln der Truppen des SFCV, das auf Teufel komm raus und mit ermäßigten Beiträgen und Gutscheinen aus Fanclubmitgliedern stimmberechtigte Mitglieder des Hauptvereins machen soll, die dann in gesponserten Bussen zur Jahreshauptversammlung gebracht werden.  Ein Schelm, wer Böses dabei denkt…?

Grundlegende demokratische Prinzipien

Als Gipfel der Unverfrorenheit haben sich Buchta und Müller noch bei mindestens drei Antragstellern beklagt, sie könnten sich gar nicht erklären, wo denn dieses ganze Misstrauen herkäme…

In der Rubrik „auf gleicher Höhe“ auf der Vereinshomepage wurde erst kürzlich noch einmal versichert, Peter Peters habe den umstrittenen Spruch, Schalke sei keine Demokratie, nie getätigt. Wenn Taten und Worte zusammenpassen sollen und der zweitgrößte deutsche Verein wenigstens die grundlegendsten demokratischen und rechtsstaatlichen Prinzipien einhalten, das in langen Jahren erworbene Misstrauen abbauen und die Mitgliederrechte wahren möchte, sollte der Aufsichtsrat ganz schnell sein Procedere überdenken und die Anträge zur Abstimmung stellen.

Denn ansonsten erreichen die Gräben eine Tiefe, gegen die der Marianengraben eine putzige kleine Rille ist und die den Verein endgültig zu spalten droht. Und dann hilft kein Bulldozer mehr, sondern nur noch ein Meteorit, der auf Gelsenkirchen knallt und alles in einem großen Loch wieder dem Erdboden gleichmacht. So viel verbrannte Erde kann aber doch keiner wollen – oder doch…?

Glückauf,
Susanne

Hinweis
Aufgrund der positiven Resonanz noch einmal der Hinweis, dass jeder Schalker die Möglichkeit hat Texte an folgende E-Mail Adresse zu senden: info@schalkermarkt.de